Sportwahn- wenn der Sport zur Sucht wird
Sport ist heutzutage wahrscheinlich einer der wichtigsten Bestandteile oder zumindest bei den meisten von uns ein wesentlicher Bestandteil ihres Alltags geworden.
Dabei soll er uns gesund und fit halten, trainiert aussehen lassen und vor allem sollte er eins- er soll uns Spaß machen. Doch was passiert, wenn der Sport nicht mehr nur ein Bestandteil unseres Lebens ist, sondern es soweit ausartet, dass er unser Leben bestimmt?
Wenn dieser Fall eintritt sprechen Mediziner von einer sogenannten „Sportsucht“.
Während sich viele Menschen oftmals nur sehr schwer dazu motivieren können abends anstelle der gemütlichen Couch das Sportstudio zu wählen, kann es bei anderen wiederrum soweit kommen, dass sie ihren gesamten Alltag nach dem Sport ausrichten und gar nicht mehr aus dieser Besessenheit – dem Bewegungsdrang herauskommen.
Wieso macht Sport überhaupt süchtig?
Über eine lange Zeit hinweg waren Experten davon überzeugt, dass die körpereigenen Endorphine für eine Sportsucht verantwortlich wären. Diese Annahme lag der Tatsache zugrunde, dass unser Organismus in Extrembelastungen körpereigene „Drogen“ ausschüttet, um die Schmerzen unter Kontrolle zu bringen und somit die Extrembelastung aushalten zu können.[1]
Nachdem jedoch nachgewiesen werden konnte, dass sogar ein Entspannungstraining zu erhöhten Endorphin Werten im Blut führen kann, wurde die zuvor erläuterte Annahme wiederlegt. Dementsprechend sind unsere Endorphine also nicht die Ursache einer Sportsucht. [2]
Experten vermuten demnach, dass es sich bei einer Sportsucht eher um eine Ablenkung von den Alltagsproblemen der Betroffenen handelt. Während einer starken körperlichen Anstrengung konzentrieren wir uns nämlich ausschließlich auf die Übung und den Schmerz, um es also in anderen Worten auszudrücken- auf das Hier und Jetzt.
Unsere Gedanken schalten ab, die Sorgen verschwinden für einen Augenblick und dementsprechend verhält es sich auch mit unseren Alltagsproblemen. Und dieser Zustand wird eben immer wieder aufs Neue versucht zu erleben.
Was andere also mit Alkohol, oder Drogen versuchen zu betäuben bzw zu verdrängen versuchen Sportsüchtige eben durch den Sport zu erreichen. Insbesondere der Entspannungseffekt, welcher nach der „Tortur“ einsetzt wirkt sich auf das Seelenleben der Betroffenen wie eine Droge aus.
Eine weitere Ursache, welche Experten ebenfalls vermuten besteht in der Realitätsflucht der Betroffenen. Demnach kann die körperliche Anstrengung dazu führen, dass ein Betroffener seine Ängstlichkeit reduziert, weil diese Vermutung der Annahme zugrunde liegt, dass es sich bei Sportsüchtigen um unsichere/ängstliche Menschen handle. Dementsprechend versuchen Betroffene durch ihre sportliche Leistung, ihr mangelndes Selbstbewusstsein und somit auch die damit verbundene Frustration auszugleichen, welche sie in anderen Bereichen ihres Lebens erleben.
Mache ich schon zu viel oder ist es noch im Rahmen?
Eine Regelmäßige Bewegung hält deinen Körper fit und ist dementsprechend der beste Schutz vor den geläufigen „Zivilisationskrankheiten“, wie zb. Diabetes, Bluthochdruck oder Übergewicht. [2]
Dafür empfehlt der Arzt Dr. Robert Gugutzer vom Lehrstuhl für Sportpsychologie in München Ausdauersport von 30-60 Minuten für 2-3 Mal die Woche zu betreiben. [2] Dieser Wert sei laut ihm „empfehlenswert“. Doch manche verlieren nach einer gewissen Zeit jegliches Gespür für ein gesundes Maß an körperlicher Bewegung, was für ihren Körper eigentlich gut wäre und ihnen keinen Schaden zufügt.
Ein erstes Anzeichen einer Sportsucht kann sich demnach durch eine entzugsähnliche Symptomatik äußern, welche auftritt sobald der Sport ausbleibt.
Diese kann sich zum Beispiel durch eine depressive Verstimmung, einer Gereiztheit oder eine gewisse Nervosität äußern. [1]
Zudem kommt es mit der Zeit zu einer immer größer werdenden Abnahme der Leistungsfähigkeit, weil dem Körper keine Regeneration, sondern anstelle dessen immer mehr abverlangt wird.
Weitere Symptome:
Zwanghaftigkeit
Der Sport sollte, wie auch schon zuvor erwähnt wurde, uns in erster Linie eine Freude bereiten, was im Umkehrschluss bedeutet, dass man ihn überwiegend aus positiven Emotionen heraus betreiben sollte. Sobald man ihn jedoch aus negativen Emotionen heraus (zb.Zwang) betreibt, wird der Sport nicht zu einer schönen Komponente des Alltages, sondern eher zu einer lästigen und unschönen Aufgabe, welche es zu erledigen gilt.
Entzugssymptome
Wenn der Sport nicht ausgeübt werden kann, kommt es zu entzugsartigen Erscheinungen welche sich sowohl emotional, als auch körperlich bemerkbar machen. (Depression, Gereiztheit, schlechtes Gewissen, Magen-Darm-Beschwerden…)[1]
Kontrollverlust
Die Betroffenen fühlen sich in ihrem Verhalten oftmals wie fremdgesteuert und erleben somit eine Art des Kontrollverlustes, welche man auch mit einer anderen Sucht (zb.der Alkoholsucht) vergleichen kann. Hinzukommend besteht eine sehr hohe Rückfälligkeitschance wieder in die gewohnten Suchtverhaltensweisen zu rutschen. Der Sport wird somit nicht aus freier Wahl (Selbstbestimmung) heraus betrieben, sondern aufgrund der Besessenheit einfach nicht anders zu können, als dem nachzugeben.
Toleranzentwicklung
Auch bei der Sportsucht verhält es sich, sowie auch mit anderen Süchten so, dass sich die Toleranzgrenze immer weiter nach oben verschiebt. Das bedeutet, dass der Körper nach einem immer höheren und anstrengenderen Trainingsumfang verlangt, um überhaupt noch zur inneren Ruhe oder Zufriedenheit finden zu können. [1]
Das Körpergefühl /Wohlfühlen geht verloren
Dadurch, dass sich die Betroffenen wie fremdgesteuert fühlen und sich dementsprechend auch so verhalten werden auftretende Krankheits-und Überlastungssignale konsequent ignoriert. Dementsprechend bleibt auch die eigentlich mehr als benötigte Erholung (Regeneration) aus. Das Resultat dessen spiegelt sich in einem selbstschädigenden Verhalten, welches erhebliche gesundheitliche Folgen mit sich bringt wieder.
Vernachlässigung sozialer Kontakte
Aufgrund dessen, dass sich das Leben der Betroffenen ausschließlich um den Sport dreht und somit auch ausschließlich darauf ausrichtet bleibt dieser als die oberste und damit entsprechend wichtigste Priorität erhalten, während andere Aktivitäten, sowie auch soziale Kontakte außen vor bleiben. Beides wird demnach eher als ein Störfaktor betrachtet, welcher die Betroffenen davon abhält ihrem „Lebenssinn“ nachzugehen. Die Folge dessen sind vermehrte Konflikte mit zwischen den Betroffenen und ihrem Umfeld, sowie auch dem Beruf, da dieser im Extremfall ebenso vernachlässigt wird.
Folgen des exzessiven Sporttreibens
Durch die dauerhafte Körperliche Überlastung, welche sich die Betroffenen meist über Jahre hinweg aussetzten kommt es irgendwann zu negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.
Abgesehen von der psychischen Belastung, welcher sie sich tagtäglich aufs Neue aussetzten kommt es auch durch die enorme Dysbalance zwischen Regeneration und Belastung zu einer Schwächung des Immunsystems, sowie insbesondere auch zu gravierenden Schäden an den Gelenken, Sehnen, Bändern und den Knochen. [1] Zudem kann dieses Verhalten auch einen Muskelabbau mit sich bringen, weil die Muskeln aufgrund dieser Dysbalance ebenfalls extrem geschädigt werden.
Wenn Krankheiten, Verletzungen oder Schmerzen ignoriert werden, können bleibende Schäden nicht ausgeschlossen werden.[1]
Bei ganz extremen Härtefällen kann es sogar soweit kommen, dass Betroffene einen Medikamentenmissbrauch bzw Schmerzmittelmissbrauch in Anspruch nehmen, um ihr Training fortsetzten zu können. Besonders gefährlich wird es dann, wenn diese Menschen unter Herz-Kreislauf-Beschwerden (Atemnot, Schwindel…) oder auch unter einem grippalen Infekt leiden, da es hier im Worst Case zu einem Herzstillstand, oder einem Kollaps kommen kann.
Bei Frauen kann es zudem auch zu Hormonstörungen kommen, sodass die Regelblutung zum Beispiel ausbleibt, sich eine Osteoporose bildet oder sie in eine Mangel- bis hin in eine Unterernährung rutschen.[1]
Ich bin betroffen- was jetzt
Wenn du einige der zuvor beschriebenen Symptome und somit auch die damit verbundenen Auswirkungen bei dir wiederfinden solltest und du bemerkst, dass dein Sportpensum außer Kontrolle geraten ist, dann solltest du umgehend professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Die wichtigste Voraussetzung für deine Heilung ist dabei, sowie auch bei allen anderen Krankheiten (insbesondere bei Süchten) sich dein „gestörtes“ Verhältnis zum Sport zunächst selber einzugestehen.
Wie können dich deine Liebsten dabei unterstützen?
Bestimmt haben schon einige deiner Liebsten, dein auffälliges Sportverhalten über einen längeren Zeitraum beobachtet, sich jedoch vielleicht nicht getraut dich darauf offen anzusprechen. Deswegen solltest du hier den erste Schritt machen und auf diese Menschen entsprechend ganz offen zugehen und dich mit ihnen über dein exzessives Sporttreiben unterhalten.
Wahrscheinlich wird dir dieser Schritt als Betroffener im ersten Moment fast unmöglich erscheinen und demnach auch nur möglich werden, wenn du überhaupt selbst schon an dem Punkt angekommen bist, an welchem du dir deine eigene Sucht selber eingestehen kannst.
Trotzdem solltest du es aber wenigstens versuchen, das Gespräch mit ihnen zu suchen weil diesen Menschen dein Wohl sehr am Herzen liegt und dir wiederrum auch deren Meinung sehr nahe geht. Somit könnten sie dich von ihnen davon überzeugen lassen, dass auch ein geringeres Sportpensum kein Weltuntergang ist, sondern ebenfalls sehr befriedigend und demnach auch sehr gesundheitsförderlich sein kann.
Du wirst merken, dass unmittelbar nachdem du diesen Schritt gegangen bist und dich davon hast überzeugen lassen dein Leben wesentlich abwechslungsreicher, spontaner und sehr viel vielseitiger sein wird, da du jetzt viel mehr Zeit hast deine Energie auch in andere Aktivitäten zu investieren, welche du zuvor aufgrund deiner Sportsuch entweder sehr vernachlässigst oder sogar komplett aufgegeben hattest. Die jedoch wichtigste Erkenntnis wird sein, dass du realisieren wirst, dass dein Leben viel zu kostbar und wunderschön ist, als das es das Wert sei, irgendeiner „Idealvorstellung“ hinterherzurennen. Sei einfach du selbst, liebe deinen Körper und damit auch deine „Makel“ und akzeptiere, dass es sowas wie „Kontrolle“ nicht wirklich im Leben gibt. Das Leben steckt sowohl voller positiver, sowie auch negativer Erfahrungen und es liegt ganz an dir, wie du mit diesen umgehst.
Quellen
[1] https://www.gesundheit.gv.at/leben/bewegung/gesunde-bewegung/sportsucht-symptome
[2] https://www.gesundheit.de/krankheiten/psyche-und-sucht/suchterkrankungen/sportsucht