Du hast starke Beschwerden und irgendwie reicht Dir ein CBD-Öl zu deren Linderung nicht mehr aus. Vielleicht hast Du schon einmal darüber nachgedacht, Dir medizinisches Cannabis verschreiben zu lassen. Vielleicht hast Du auch, wie manch anderer, aber Bedenken, Deinen Arzt darauf anzusprechen. Zu sehr ist der Gebrauch von THC-haltigem Cannabis hierzulande noch stigmatisiert. Wir möchten Dir den Weg zum Antrag auf THC-haltige Produkte zeigen und Dir die Sorge um Cannabis als fatale Einstiegsdroge nehmen.
Die Wirkung von Cannabis
CBD und THC wirken über das Endocannabinoidsystem (ECS) im zentralen Nervensystem. Sie können zum körperlichen und psychischen Wohlbefinden beitragen und beispielsweise das Schmerzempfinden, den Appetit, Entzündungen, Unruhe, Stress, Ängste, depressive Verstimmungen und Lernprozesse steuern. Das psychoaktive THC kann darüber hinaus die Sinneswahrnehmungen verändern, auch euphorisch machen.
Cannabis ist also weit mehr als nur ein Rauschmittel. Doch es eignet sich nicht zur unterstützenden Behandlung jeder Art von Beschwerden.
Erkrankungen/Beschwerden, für die eine Behandlung mit Cannabis in Frage kommt
Seit 2017 ist das Betäubungsmittelrecht geändert und Ärzte dürfen mit Zustimmung der Krankenkassen Cannabis als Therapie verschreiben [6]. Normalerweise stützt sich eine Behandlung auf klinische Studien, die die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Therapie nachgewiesen haben. Leider gibt es für Cannabis bisher jedoch noch keine ausreichenden Studien. Daher hat die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) eine eigene Leitlinie entworfen, an der sich Ärzte bei der Verordnung einer Cannabistherapie orientieren können. In dieser Leitlinie werden als Krankheiten genannt:
- Appetitlosigkeit, starker Gewichtsverlust, Untergewicht (besonderes bei HIV)
- Autoimmunkrankheiten
- Bewegungsstörungen, Tourette-Syndrom
- chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
- chronische, Tumor- oder neuropathische Schmerzen
- chronisch starke Kopfschmerzen, therapieresistenter Migräne
- Fibromyalgie
- Querschnittslähmungen
- rheumatische Schmerzen, starke Arthritis
- Schlafstörungen
- schmerzhafte Muskelkrämpfe, Multiple Sklerose
- Übelkeit, Erbrechen in Folge einer Chemotherapie
- Hautkrankheiten, wie Neurodermitis, Psoriasis (Schuppenflechte) [1; 2; 5]
Darüber hinaus kann Dein Arzt Dir Cannabis verordnen bei:
- ADHS
- Alkohol- und Drogenentzug
- Alzheimer, Demenz
- Atemwegserkrankungen, wie Asthma
- Blasenstörungen
- Epilepsie
- Erkrankungen der Psyche, wie Depressionen, Angststörungen, Schizophrenie
- Grünem Star (Glaukom)
- Krebserkrankungen
- Parkinson
- posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS)
- Reizdarmsyndrom
- Spannungskopfschmerzen [5].
Die Nutzung als Droge (Marihuana, Haschisch) und der Eigenanbau (mit Ausnahmen) bleiben in Deutschland weiterhin verboten.
Gründe für die Verordnung von Cannabis
Für die Verordnung von Cannabis als medizinisch indizierte Therapie müssen handfeste Gründe vorliegen. Sie kommt nur in Betracht, wenn:
- Deine Krankheit als schwerwiegend gilt (wie bei Krebs, Aids, Multiple Sklerose)
- keine vergleichbaren Therapien zur Verfügung stehen, die Standardtherapien nicht ausreichend wirken oder zu starke Nebenwirkungen verursachen
- die Therapie mit Cannabis bei Deiner Erkrankung Erfolg verspricht
- Dein Arzt ein approbierter, niedergelassener Vertragsarzt mit einem Eintrag im Arztregister der Kassenärztlichen Vereinigungen ist [3; 5].
Dein Arzt muss also in seinem Antrag an Deine Krankenkasse plausibel begründen, warum zu Deiner Therapie nur die Behandlung mit Cannabis in Frage kommt
Die Verschreibung von Cannabis
Ärzte verschreiben Cannabis also erst, wenn keine alternativen Therapien zur Verfügung stehen. Cannabis fällt unter das Betäubungsmittelgesetz. Damit Du die Genehmigung zum Cannabisgebrauch erhältst, muss Dein Arzt daher einen entsprechenden Antrag bei Deiner Krankenkasse stellen. Du musst dafür Deine anonymisierten Daten für die Forschung der Bundesopiumstelle zur Verfügung stellen [5], damit die Wirksamkeit von Cannabis qualifiziert und quantifiziert werden kann. Deine Krankenkasse muss dann, möglicherweise unter Einbeziehung eines Gutachtens des medizinischen Dienstes (MDK), innerhalb von drei bis fünf Wochen über den Antrag Deines Arztes entscheiden. Etwa 40 – 60 Prozent dieser Anträge werden von den Kassen genehmigt [1].
Wenn der Antrag abgelehnt wurde
Sollte sich Krankenkasse und/oder MDK gegen Deine Behandlung mit Cannabis entscheiden, müssen sie das medizinisch begründen. Du und Dein Arzt können einer solchen Ablehnung aber widersprechen und bei wiederholter Ablehnung für die Verordnung beim Sozialgericht klagen [1]. Wenn Deine Krankenkasse die Kosten nicht erstatten möchte, kann Dein Arzt Dir aber auch eine Privatverordnung für das Cannabis ausstellen. Dabei musst Du aber für die Kosten für die Therapie selbst aufkommen [5].
Ich habe ein Rezept – wie geht es weiter?
Wenn Du Cannabis von Deinem Arzt verschrieben bekommen hast, bekommst Du in Apotheken mit spezieller Genehmigung Cannabisblüten oder -extrakte von hoher Qualität. Cannabisblüten enthalten THC und CBD und werden meist geraucht. Eventuell bereitet Dir der Apotheker auch Tropfen bzw. Kapseln aus Cannabisextrakt zu. Keine Sorge, Du bekommst auch Anleitungen zur Anwendung und wie Du das Präparat richtig dosierst. Die Kosten werden normalerweise von der Krankenkasse übernommen [3; 5].
Achtung! Kaufe Dir Cannabis nicht auf dem Schwarzmarkt. Denn nur bei einem Produkt aus der Apotheke kannst Du sicher sein, dass Dein Cannabis pestizidfrei, rein (ungestreckt) und von hoher Qualität ist.
Fertigarzneimittel mit CBD und THC
Ab Mai 2011 kann es in Deutschland auch ärztlich als Fertigarzneimittel verschrieben werden. Dazu gibt es bisher:
- Marinol®/Dronabinol mit THC: Tropfen gegen Übelkeit und Erbrechen im Zuge einer Chemotherapie, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust bei Aids, starken (auch neuropathischen, Arthrose-, Osteoporose-) Schmerzen, Entzündungen, Rückenmarksverletzungen, Gürtelrose, Fibrose und anderen Beschwerden
- Canemes®/Nabilon mit THC und CBD: Kapseln gegen Übelkeit und Erbrechen im Zuge einer Chemotherapie
- Sativex®/Nabiximols mit THC und CBD: Mundspray bei Krämpfen aufgrund Multipler Sklerose [5].
Darreichungsformen
THC, wie auch CBD, wirken individuell unterschiedlich, je nach:
- Beschwerden
- Konsumform (rauchen, Medikamente schlucken)
- Dosis
- dem Fettgehalt der Nahrung (bei Aufnahme über den Magen).
Es wird davon ausgegangen, dass Cannabis am schnellsten wirkt, wenn es geraucht wird. Allerdings ist es so nur schwer dosierbar. Darüber hinaus werden angeboten:
- Blüten, zum Dampfen oder als Tee
- Kapseln
- Lösungen zum Inhalieren
- Öl
- Salben
- Spray
- Tabletten
- Tropfen.
Gibt es auch Nebenwirkungen oder Gegenanzeigen?
Das THC in Cannabis wirkt u.a. auch psychoaktiv. Die Suchtgefahr ist aber relativ gering [4]. Daneben kann Cannabis als Nebenwirkungen:
- Augenrötungen
- Blutdruckabfall
- Euphorie
- Gedächtnisstörungen
- Halluzinationen
- Hautrötungen
- Hitze- oder Hungergefühle
- Konzentrationsschwäche
- Magen-Darm-Beschwerden
- Mundtrockenheit
- Müdigkeit, Benommenheit
- Schlafstörungen
- Schwindel
- Verwirrung und Vergesslichkeit verursachen [1; 5].
In Schwangerschaft, bei Psychosen, Schizophrenie und Kindern unter 18 Jahren sollte Cannabis nicht angewandt werden.
Cannabis und Verkehrstüchtigkeit
THC hat außerdem die Eigenschaft, sich im Fettgewebe anzureichern. Du verspürst vielleicht keinen Effekt mehr, dennoch ist das THC in Deinem Körper. Sicher wird Dein Arzt Dich darauf hinweisen, dass das THC die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen kann. Das gilt insbesondere in der Anfangsphase der Aufdosierung und bei Dosiserhöhungen. Am besten verzichtest Du ganz auf das Autofahren, solange Du die Therapie durchführst. Wenn Du dennoch Auto fährst, musst Du damit rechnen, dass das THC bei einer Polizeikontrolle im Straßenverkehr bis zu 30 Tage nachweisbar ist. Im schlimmsten Fall droht Dir der Führerscheinentzug, wenn Du kein Rezept vorweisen kannst [1].
Quellen:
[1] Jennifer Ann Steinort, Medizinisches Cannabis: Droge vs. Medizin, in Krankenkassenzentrale, abgerufen am 11.03.2021 von https://www.krankenkassenzentrale.de/wiki/cannabis#rezept
[2] Cannabis, DGS Praxisleitlinien Schmerztherapie, abgerufen am 15.03.2021 von https://dgs-praxisleitlinien.de/cannabis/DGS
[3] Wohlers, Katja, Cannabis: Medizin für Schwerkranke: Darreichungsformen und Dosierung, 11.12.2019 in Techniker Krankenkasse: Behandlungen und Therapien, abgerufen am 15.03.2021 von https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/darreichungsformen-dosierung-2032612
[4] Nickolaus, Barbara, Chronische Schmerzen: Cannabis verhindert Schmerz und Spastik, 2002 in Deutschem Ärzteblatt, abgerufen am 15.03.2021 von https://www.aerzteblatt.de/archiv/34138/Chronische-Schmerzen-Cannabis-verhindert-Schmerz-und-Spastik
[5] Gohlke, Maxi Christina, Schüller, Dagmar, Cannabis auf Rezept: Anwendung von medizinischem Cannabis, 15.04.2020 in Lifeline, abgerufen am 15.03.2021 von https://www.lifeline.de/therapien/heilpflanzen/cannabis-auf-rezept-id138576.html
[6] Cannabis für Schwerkranke auf Rezept, Die Bundesregierung, abgerufen am 15.03.2021 von https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/cannabis-fuer-schwerkranke-auf-rezept-485740