Pflanzen bestehen aus einer schier unendlichen Zahl von Stoffen, die deren Geschmack, Farbe, Duft, Wirkung und physiologischen Eigenschaften ausmachen. Wollten wir uns mit allen Stoffklassen beschäftigen, müssten wir zuvor sicherlich ein Biochemie-, Pharmazie- oder ein anderes hoch-wissenschaftliches Studium absolvieren. Das will keiner. Uns ist es wichtig, dass es schmeckt und wirkt. Allenfalls möchten wir noch ein sinnliches Erlebnis, das uns entspannt und vitalisiert.
Trotzdem gibt es einige Stoffklassen, die gar nicht mal so unspannend sind. Wenn wir uns ein bisschen darin auskennen, können wir Pflanzen gezielt für unsere Bedürfnisse nutzen. Die Cannabinoide aus der Hanfpflanze (Cannabis) gehören dazu. Sie haben uns in den letzten Jahren neue Behandlungsmöglichkeiten beschert, die chemisch-synthetische Produkte mitunter überflüssig machen. Ihre hervorragende Wirksamkeit geht Hand in Hand mit einer besonders guten Verträglichkeit. Aus diesem Grunde laufen auch die Forschungen auf dem Gebiet der Cannabinoide, z.B. zu CBD und THC, auf Hochtouren. Eine weitere, weniger bekannte Stoffgruppe aus der Hanfpflanze sind die Terpene, auch Aromen genannt. Doch was hat es damit auf sich?
Die Terpene aus der Hanfpflanze
Die bisher nur wenig erforschten Terpene in Cannabis haben, wie die Cannabinoide, therapeutische Eigenschaften. Für die Medizin sind die Terpene aber besonders interessant, da sie einen verstärkenden Effekt auf die Wirkung der Cannabinoide haben sollen. Insofern erklärt sich auch, dass der Gebrauch von intakten Pflanzen bzw. „Vollspektrum-Produkten“ medizinisch sinnvoller sein kann, als der einzelner daraus isolierter Stoffe [1].
Was genau beinhaltet die Stoffklasse der Terpene?
Terpene sind vorwiegend in Pflanzen enthalten. Sie kommen aber auch in geringer Menge im menschlichen bzw. tierischen Organismus vor. Zu der Gruppe dieser sogenannten sekundären Pflanzenstoffe gehören:
- Vitamine
- Lockstoffe (Pheromone)
- ätherische Stoffe
- Alkohole
Die natürlichen Aufgaben der Terpene in der Cannabispflanze
Die Terpene der Cannabispflanze sind u.a. verantwortlich für den Duft und Geschmack der Pflanze. Sie konzentrieren sich auf die Blätter und Knospen, insbesondere der weiblichen, unbefruchteten Cannabispflanze. Dadurch übernehmen sie die Funktion, die Pflanze vor Stressoren, wie Bakterien und Umweltfaktoren, zu schützen und Insekten anzulocken. Am gleichen Ort befinden sich auch die Cannabinoide [2]. Jede Cannabispflanze hat eine individuelle Menge und Zusammensetzung von Terpenen. Damit variiert auch die Stärke der Wirkung der einzelnen Cannabinoide. Dennoch sind Pflanzen derselben Cannabissorte ähnlich in ihrer Terpen-Zusammensetzung und -stärke. So kommt es dazu, dass Ärzte ihren Patienten auch verschiedene Sorten für unterschiedliche therapeutische Wirkungen verordnen [3].
Die medizinische Wirkung der Terpene
Die Terpene sind so klein, dass sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden und direkt auf das zentrale Nervensystem einwirken können. Versuche an Tieren lassen eine medizinische Wirkung vermuten, doch wissenschaftliche Studien dazu sind zurzeit noch rar. So sollen Terpene:
- eine beruhigende Wirkung haben und Ängste lösen
- die Konzentration steigern
- Erreger bekämpfen (Bakterien, Pilze)
- entzündungshemmend wirken
- Schmerzen hemmen
- antioxidativ wirken
- die Verdauung fördern
- die Entstehung von Krebs hinauszögern, vielleicht sogar verhindern [5]
Wir kennen diese Wirkungen von der Aromatherapie mit ätherischen Ölen, die reich an Terpenen sind und auf den Organismus über die Schleimhäute und/oder Haut einwirken.
Die folgenden Terpene sind in der Cannabispflanze enthalten:
- (Beta-)Caryophyllen (auch in Oregano, Basilikum, Nelken, Pfeffer und Hopfen enthalten) wirkt
- entzündungshemmend [S1]
- schmerzlindernd [S2]
- krampflösend [S3]
- schlaffördernd [S4]
- gegen Süchte [S5].
- Humulen (auch in Hopfen und Koriander enthalten) wirkt
- entzündungshemmend [S6]
- antibakteriell [S7].
- Limonen (auch in Zitrusfrüchten, Wacholder und Minze enthalten) wirkt
- angstlösend [S8]
- antidepressiv bzw. stimmungsaufhellend [S9]
- antibakteriell bzw. immunfördernd [S10]
- anticancerogen [S11].
- Linalool (auch in Lavendel, Zitrusfrüchten, Lorbeeren enthalten) wirkt
- angst- und stresslösend [S12]
- entzündungs- und schmerzlindernd [S13]
- krampflösend [S3]
- beruhigend und schlaffördernd [S14].
- Myrcen (auch in Zitrusfrüchten, Thymian, Lorbeerblättern enthalten) wirkt
- entzündungshemmend [S15]
- antiseptisch, antibakteriell [S16]
- beruhigend [S17].
- Pinen (auch in Salbei und Kiefern enthalten) wirkt
- entzündungs- und schmerzhemmend [S18]
- angstlösend [S19]
- gedächtnis- und aufmerksamkeitsfördernd [S20].
[2; 3; 4]
Zusätzlich scheinen die Terpene auf das Endocannabinoidsystem der Hanfpflanze einzuwirken und mit den Cannabinoiden (CBD) zu interagieren. Dadurch kommt ein sogenannter Entourage-Effekt zustande, der die therapeutischen Wirkungen der Cannabinoide noch einmal verstärkt. Gleichzeitig sind sie in der Lage, die psychoaktive Wirkung von THC abzudämpfen [2].
Terpene und CBD
Jede Cannabispflanze hat also einen individuellen Fingerabdruck, was die Zusammensetzung und Konzentration von CBD, THC und Terpenen betrifft. Innerhalb der verschiedenen Cannabis-Arten gibt es diesbezüglich wiederum sortentypische Profile. Wichtig dabei ist das synergistische Zusammenspiel von Cannabinoiden und Terpenen, das wiederum zu einer speziellen Gesamtwirkung führt.
Alternativ ist es inzwischen möglich, Terpene und Cannabinoide aus Cannabis-Pflanzen zu extrahieren und sie gezielt auf eine spezielle therapeutische Wirkung zu kombinieren. Damit lassen sich symptomspezifische Cannabisprodukte herstellen [4].
Quellen:
[1] Müller, Nathalie, Terpene – Was Ist Das Eigentlich?, 20.07.2019 in Kräuterpraxis, abgerufen am 31.08.2020 von https://kraeuterpraxis.de/blog/was-sind-terpene/
[2] Schneider, Mark, Was Sind CBD Terpene … Und Was Ist Ihre Aufgabe?, 11.02.2019 in Kräuterpraxis, abgerufen am 03.03.2020 von https://kraeuterpraxis.de/blog/was-sind-cbd-terpene-und-was-ist-ihre-aufgabe/
[3] Riedewald, Gesa, Terpene und ihre medizinischen Eigenschaften, 03.12.2019 von Leafly, das Wissensportal um Cannabis als Medizin, abgerufen am 03.03.2020 von https://www.leafly.de/terpene-medizinischen-eigenschaften/
[4] Dr. Russo, Ethan B., Taming THC: potential cannabis synergy and phytocannabinoid-terpenoid entourage effects, August 2011 in Br J Pharmacol.; 163(7): 1344–1364, abgerufen am 03.03.2020 von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3165946/
[5] Was sind Terpene? Alles zu den „Lockstoffen“ der Cannabispflanze, CBD Infos, abgerufen am 31.08.2020 von https://cbd-infos.com/terpene/
Relevante Studien:
[S1] Piccioli, Giacomo et. al., β-Caryophyllene Reduces the Inflammatory Phenotype of Periodontal Cells by Targeting CB2 Receptors, 17.06.2020 in Biomedicines;8(6):164, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32560286/
[S2] Fine, Gerry P. and Rosenfeld, Mark J., The Endocannabinoid System, Cannabinoids, and Pain, 29.10.2013 in Rambam Maimonides Med J.; 4(4): e0022, abgerufen am 31.08.2020 von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3820295/
[S3] Ou, Ming-Chiu et. al., Pain relief assessment by aromatic essential oil massage on outpatients with primary dysmenorrhea: a randomized, double-blind clinical trial, Mai 2012 in J Obstet Gynaecol Res;38(5):817-22, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22435409/
[S4] Galdino, Pablinny Moreira et. al., The anxiolytic-like effect of an essential oil derived from Spiranthera odoratissima A. St. Hil. leaves and its major component, β-caryophyllene, in male mice, 07.08.2012 in Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry;38(2):276-84, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22542869/
[S5] Russo, Ethan B., Taming THC: potential cannabis synergy and phytocannabinoid-terpenoid entourage effects, August 2011 in Br J Pharmacol;163(7):1344-64, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21749363/
[S6] Rogerio, Alexandre P. et.al., Preventive and therapeutic anti-inflammatory properties of the sesquiterpene alpha-humulene in experimental airways allergic inflammation, Oktober 2009 in Br J Pharmacol;158(4):1074-87, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19438512/
[S7] Jang Hye-In et. al., Antibacterial and antibiofilm effects of α-humulene against Bacteroides fragilis, Juni 2020 in Can J Microbiol;66(6):389-39, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32073898/
[S8] Zhong, Yu et.al., Sedative and hypnotic effects of compound Anshen essential oil inhalation for insomnia, 11.11.2019 in BMC Complement Altern Med;19(1):306, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31711477/
[S9] Zhang, Lu-Lu et. al., Antidepressant-like Effect of Citrus sinensis (L.) Osbeck Essential Oil and Its Main Component Limonene on Mice, 18.12.2019 in J Agric Food Chem;67(50):13817-13828, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30905156/
[S10] Yazgan, Hatice et.al., Antimicrobial influence of nanoemulsified lemon essential oil and pure lemon essential oil on food-borne pathogens and fish spoilage bacteria, 02.10.2019 in Int J Food Microbiol;306:108266, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31319195/
[S11] Ajikumaran, Nair S. et.al., Citrus peels prevent cancer, 15.11.2018 in Phytomedicine;50:231-237, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30466983/
[S12] Caputo, Lucia, Lavandula angustifolia Essential Oil and Linalool Counteract Social Aversion Induced by Social Defeat, 19.10.2018 in Molecules;23(10):2694, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30347669/
[S13] Xiao-Jun, Li et. al., α-Pinene, linalool, and 1-octanol contribute to the topical anti-inflammatory and analgesic activities of frankincense by inhibiting COX-2, 17.02.2016 in J Ethnopharmacol;179:22-6, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26721216/
[S14] Lyung Lee, Bo et.al., Linalool Ameliorates Memory Loss and Behavioral Impairment Induced by REM-Sleep Deprivation through the Serotonergic Pathway, 01.07.2018 in Biomol Ther (Seoul);26(4):368-373, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29915164/
[S15] Rufino, Ana Teresa et. al, Evaluation of the anti-inflammatory, anti-catabolic and pro-anabolic effects of E-caryophyllene, myrcene and limonene in a cell model of osteoarthritis, 05.03.2015 in Eur J Pharmacol;750:141-50, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25622554/
[S16] Iseppi, Ramona et.al., Chemical Characterization and Evaluation of the Antibacterial Activity of Essential Oils from Fibre-Type Cannabis sativa L. (Hemp), 21.06.2019 in Molecules;24(12):2302, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31234360/
[S17] Mirghaed, Ali Taheri et.al., Rainbow trout (Oncorhynchus mykiss) anesthesia with myrcene: efficacy and physiological responses in comparison with eugenol, Juni 2018 in Fish Physiol Biochem;44(3):919-926, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29445991/
[S18] Quintao, Nara L. et.al., Chemical composition and evaluation of the anti-hypernociceptive effect of the essential oil extracted from the leaves of Ugni myricoides on inflammatory and neuropathic models of pain in mice, September 2010 in Planta Med;76(13):1411-8, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20157878/
[S19] Bahare, Salehi et.al., Therapeutic Potential of α- and β-Pinene: A Miracle Gift of Nature, 14.11.2019 in Biomolecules;9(11):738, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31739596/
[S20] Lee, Gik-Yong et.al., Amelioration of Scopolamine-Induced Learning and Memory Impairment by α-Pinene in C57BL/6 Mice, 2017 in Evid Based Complement Alternat Med;2017:4926815, abgerufen am 31.08.2020 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29234406/