CBD bei Tics und Tourette
Tics oder gar Tourette-Syndrom können für die Betroffenen eine schwere Last und für Menschen, die in Kontakt mit Betroffenen kommen, verunsichernd sein. Verschiedene Studien konnten inzwischen nachweisen, dass der Konsum von Cannabis zur Beruhigung der Tics beitragen kann. Wir wollten wissen, welcher Wirkstoff dabei im Vordergrund steht.
Symptome des Tourette-Syndroms
Etwa jedes zehnte Kind entwickelt aus mehr oder weniger normalen Tics eine neuropsychiatrische Erkrankung: das sogenannte Tourette-Syndrom. In den meisten Fällen verlieren sich die Symptome während der Jugendzeit wieder. Von den rund einem Prozent der Tourette-Erkrankten in Deutschland sind die meisten nicht behandlungsbedürftig, weil die Symptome die Betroffenen in Alltag nicht belasten und die Außenwelt nichts von den Tics bemerkt. Erst ab einem mäßigen Erkrankungsstadium werden die Tics für andere sicht- oder hörbar, bei schweren Verläufen ist der Alltag der Betroffenen gravierend belastet.
Die Tics können sich durch Laut- oder Wortäußerungen oder motorisch durch das Werfen von Gegenständen oder unwillkürliche Bewegungen zeigen. Meist treten sie in gewohnter Umgebung auf und können durch starke Gefühle verstärkt, durch Konzentration abgeschwächt werden. Sie können also in gewissem Maße bewusst oder unbewusst von den Betroffenen kontrolliert werden. Zusätzlich geht das Tourette-Syndrom in aller Regel einher mit:
- Aggressionen
- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS)
- Angst-, Schlaf- und Zwangsstörungen
- Depressionen und
- sozialen Phobien [1; 2].
Ursache des Tourette-Syndroms
Die Ursache des Tourette-Syndroms liegt vermutlich zum Großteil in den Genen. Starke emotionale Ereignisse, wie beispielsweise soziale Phobien, können die Tics dann auslösen. Forscher vermuten, dass bei den Betroffenen Teile des Gehirns, die für Bewegungskontrolle und Verhalten zuständig sind, und der Stoffwechsel von Botenstoffen, wie beispielsweise von Dopamin, grundlegend verändert sind. Dopamin ist ein erregender Neurotransmitter und scheint bei Tourettepatienten im Übermaß produziert zu werden. [1; 2; 3].
Klassische Therapien
Das Tourette-Syndrom ist eine sehr individuelle Krankheit, die ebenso individuelle Therapien braucht. Obwohl eine Heilung von Tourette nicht möglich ist, können die Tics bei leichten Verläufen durch Verhaltenstherapien oder individuelle Kompensationsmechanismen (wie Fahrradfahren, Dinge ordnen, Biofeedback) zumindest eingedämmt, verlagert oder kontrolliert werden. Bei schwereren Verläufen können – leider oft nebenwirkungsreiche – Medikamente oder Gehirnschrittmacher helfen [1]. Cannabismedikamente sind, zumindest in Deutschland, gegen Tourette nicht zugelassen.
Cannabis bei Tourette
Von den Wirkstoffen des Cannabis ist aber bekannt, dass sie über das Endocannabinoidsystem an der Regulation der Neurotransmitter beteiligt sind. CBD und THC beispielsweise verstärken oder hemmen die Ausschüttung von Neurotransmittern und können damit ein entgleistes/abnormes System wieder ins Gleichgewicht bringen. Fehlfunktionen im Gehirn durch überaktive Botenstoffe, wie Dopamin, können dabei durch Cannabiswirkstoffe reguliert werden – so die Theorie.
Und tatsächlich konnte bereits eine 1998 durchgeführte Befragung von Patienten zeigen, dass das Rauchen von Cannabis die Häufigkeit und Schwere der Tics und Zwangsstörungen um 82 %, teilweise sogar um 100 % reduzieren konnte, ohne dass das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit, Reaktions- und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt war [S1]. Zahlreiche andere Beobachtungsstudien konnten die Ergebnisse bestätigen, insbesondere auch bei denjenigen Patienten, bei denen andere Behandlungsansätze erfolglos blieben [S2; S3; S4]. So wird Cannabis in internationalen Leitlinien als alternative Behandlung für Patienten, bei denen andere Behandlungen unwirksam oder unverträglich sind, inzwischen empfohlen. Auch als begleitende Behandlung zur konventionellen Therapie hat sich Cannabis als nützlich erwiesen. Allerdings war die Wirkung in allen Studien immer auf das enthaltene THC zurückzuführen [2; 3].
Kann auch CBD gegen Tourette helfen?
Zu CBD bei Tourette gibt es bisher keine verlässlichen Studien. Bekannt ist aber, dass die Tics durch Emotionen verstärkt werden können. CBD kann bekanntermaßen die mit dem Tourette-Syndrom assoziierten Beschwerden, wie Angststörungen, Aggressionen, Depressionen, Schlafstörungen und ADHS vermindern, indem es die Ausschüttung von Neurotransmittern, wie z.B. des “Glückshormons” Serotonin, aktiviert oder Acetylcholin, Glutamat, Adrenalin und Noradrenalin hemmt [1]. Außerdem kann CBD die Wirkung von THC verstärken, bekannt als sogenannter Entourage-Effekt. Und so zeigen auch Einzelfallstudien, dass CBD zusammen mit THC die Symptome von Tourette verbessern kann, wenn THC alleine nicht wirksam ist [S5; 4].
Wie bekomme ich Cannabismedikamente gegen Tourette?
Um an ein THC-haltiges Medikament zu kommen, muss Dein Arzt bei Deiner Krankenkasse eine derartige Behandlung außerhalb der zugelassenen Indikation und deren Kostenübernahme beantragen. Das wird jedoch häufig von den Krankenkassen abgelehnt. Über ein Privatrezept kannst Du dennoch ein solches Medikament erhalten, musst allerdings die Kosten dafür selbst tragen. Über die Bundesopiumstelle des Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kannst Du darüber hinaus einen Antrag auf ärztlich begleitete Cannabis-Selbstbehandlung stellen. Du brauchst dafür eine Stellungnahme von Deinem Arzt. Auch hier trägst Du aber die Kosten für die Behandlung selbst. CBD kannst Du rezeptfrei erwerben. Hier lohnt es sich, Inhaltsstoffe und die Qualität der Produkte verschiedener Anbieter zu vergleichen.
Quellen:
[1] CBD und das Tourette-Syndrom, in Hanf-Extrakte, abgerufen am 19.08.2021 von https://www.hanf-extrakte.com/cbd-und-das-tourette-syndrom/
[2] Therapiemöglichkeiten des Tourette-Syndroms, Tourette-Gesellschaft Deutschland e.V., abgerufen am 19.08.2021 von https://tourette-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2019/11/TGD_Therapiemoeglichkeiten-des-Tourette-Syndroms-komprimiert.pdf
[3] Die sechs größten Vorteile von Cannabis bei Tourette-Syndrom, 20.11.2020 in Sensiseeds, abgerufen am 19.08.2021 von https://sensiseeds.com/de/blog/die-sechs-grosten-vorteile-von-cannabis-bei-tourette-syndrom/
[4] Teichmann, Julia, CBD gegen Tourette: mit pflanzlicher Heilkraft gegen die Tics?, 26.08.2020 in CBD infos, abgerufen am 06.09.2021 von https://cbd-infos.com/cbd-tourette/
Relevante Studien:
[S1] Müller-Vahl, K. R. et. al, Cannabinoids: possible role in patho-physiology and therapy of Gilles de la Tourette syndrome, Dezember 1998 in Acta Psychiatr Scand;98(6):502-6, abgerufen am 19.08.2021 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9879795/
[S2] Cavanna, Andrea E., Treatment strategies for tics in Tourette syndrome, Januar 2011 in Ther Adv Neurol Disord.; 4(1): 25–45, abgerufen am 19.08.2021 von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3036957/
[S3] Müller-Vahl, K. R. et. al, Delta 9-tetrahydrocannabinol (THC) is effective in the treatment of tics in Tourette syndrome: a 6-week randomized trial, April 2003 in J Clin Psychiatry;64(4):459-65, abgerufen am 19.08.2021 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12716250/
[S4] Sandyk, R. et. al., Marijuana and Tourette’s syndrome, Journal of Clinical Psychopharmacology, 8(6), 444–445, abgerufen am 19.08.2021 von https://journals.lww.com/psychopharmacology/Citation/1988/12000/Marijuana_and_Tourette_s_Syndrome.21.aspx
[S5] Kanaan, Ahmad Seif et. al, Significant Tic Reduction in An Otherwise Treatment-Resistant Patient with Gilles de la Tourette Syndrome Following Treatment with Nabiximols, 26.04.2017 in Brain Sci;7(5):47, abgerufen am 06.09.2021 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28445405/